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COVID-19 und Haut: Infizierte Kinder haben 30-fach erhöhtes Risiko an Kawasaki-Syndrom zu erkranken

Neueste Studien zeigen interessante Zusammenhänge von COVID-19, Haut und Immunreaktionen. So haben etwa Patienten mit Atopie (z.B. Neurodermitis) ein dreifach geringeres Risiko an einer schweren COVID-19 Lungenentzündung zu erkranken. Auch andere Virusinfektionen betreffen häufig die Haut. Viren als die kleinsten Parasiten können auch in der Therapie genutzt werden. Die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) klärt auf.

Der COVID-19 Erreger SARS COV-2 äußert sich an der Haut – soweit bislang bekannt – mit eher unspezifischen Ausschlägen, Gerinnungsstörungen oder Gefäßentzündungen. Allerdings zeigen erste Studien interessante pathogenetische Zusammenhänge von COVID-19 und Haut. Univ.-Prof. Dr. Johann Bauer, Vizepräsident der ÖGDV und Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie am Uniklinikum Salzburg, führt aus: „Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie[1] zeigen Patienten mit Atopie (eine besondere Neigung zu Überempfindlichkeitsreaktionen, wie z.B. Neurodermitis) ein dreifach geringeres Risiko an einer schweren durch COVID-19 bedingten Lungenentzündung zu erkranken.“ Es wird vermutet, dass die bei Atopikern vorhandenen „guten“ Zytokine die „bösen“ Zytokine beim Zytokinsturm während der Lungenentzündung abbremsen. „Interessant ist weiters, dass das sogenannte Kawasaki-Syndrom, eine Entzündung der Gefäße bei Kindern, 30-mal häufiger bei Kindern mit einer COVID-19 Infektion auftritt[2]“, erklärt Bauer. „Wir vermuten, dass die starke Entzündung bei COVID-19 noch heftiger als sonst auch die Gefäße befallen kann“, sagt Bauer.

ÖGDV Univ.-Prof. Dr. Johann Bauer © R.Hametner
Univ.-Prof. Dr. Johann Bauer © R.Hametner

Spätkomplikationen wie Tumorerkrankungen oft nach jahrzehntelangem, unscheinbarem Verweilen von Viren im Körper

Viren sind kleinste Parasiten, die für ihre Vermehrung auf Wirtszellen angewiesen sind. Der Präsident der ÖGDV, Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger, erklärt: „Infektionen der Haut und Schleimhäute sind häufig und zeigen dabei ein bemerkenswert vielgestaltiges Erscheinungsbild.“ So führen Herpesviren, die nach einer Infektion lebenslang in unserem Körper bleiben, oft erst nach Jahren zu Folgekrankheiten, wie dem lästigen, wiederkehrenden Lippenherpes oder der Gürtelrose mit der gefürchteten, weil sehr schmerzhaften Nervenentzündung/Neuralgie. „Humane Papillom Viren verursachen nach Infektion nicht nur rasch auftretende manifeste Hautkrankheiten (Warzen an Haut, Genital- und Mundschleimhaut), viel wichtiger ist zu wissen, dass bestimmte Varianten oft nach Jahren und Jahrzehnten zum Krebs an Schleimhäuten führen v.a. den Geschlechtsorganen“, sagt Rappersberger. Zudem erhöht sich die Gefahr „reaktiver“ aber auch neu erworbener Virus-Infektionen durch moderne immun-suppressive und -modulatorische Therapien bei vielen Hautkrankheiten, wie Schuppenflechte, Neurodermitis, Lupus erythematosus und blasenbildenden Autoimmun–Krankheiten. Nicht zu vergessen, stellen neue Reise- und Importdermatosen (z.B. Zika-Virus, West-Nil-Virus, Hanta Virus etc.) neue Herausforderungen dar, die allesamt die Wichtigkeit von Früherkennung und rechtzeitiger sowie konsequenter Therapie verdeutlichen. „In diesem Zusammenhang sind Fortschritte durch innovative Behandlungsansätze, wie etwa durch antivirale Medikamente wie Remdesivir, eine präventive Impfung gegen Varicella-Zoster-Viren und humane Papillomaviren (Feigwarzen) von besonderer Relevanz“, berichtet Rappersberger.

PR Bild Prim. Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger © feel image, Felicitas Matern
Prim. Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger © feel image, Felicitas Matern

Viren in der Hautkrebstherapie

Die Fähigkeit von Viren, sich in Wirtszellen einzuschleusen und diese durch die Virusvermehrung aufzulösen, wird auch erfolgreich therapeutisch genutzt. So werden beispielsweise modifizierte Viren für neuartige Verfahren der molekularen Medizin angewandt, um Hautkrebs zu behandeln. „Dabei wird ein reduziert-aktives Herpes-Virus eingesetzt, um schwarzen Hautkrebs zu zerstören und eine Immunantwort gegen den Tumor auszulösen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Christoph Höller, Leiter der Dermato-onkologischen Ambulanz am AKH Wien und Mitglied des ÖGDV-Vorstands.

PR Bild ÖGDV Univ.-Prof. Dr. Christoph Höller © ÖGDV_APA-Fotoservice_Schedl
Univ.-Prof. Dr. Christoph Höller © ÖGDV_APA-Fotoservice_Schedl

Retrovirale Vektoren – das sind gezielt veränderte Viruspartikel – werden als sogenannte „Genschiffe“ in der Gentherapie bei schweren genetischen Hauterkrankungen eingesetzt, wie zum Beispiel bei Epidermolysis bullosa (Schmetterlingskinder). Diese Vektoren schleusen Gen-Sequenzen ein, welche ein bestimmtes Gen vermissen, und damit den geschädigten Zellen ermöglichen, ihre Funktion als Haftsubstanz der Haut wieder zu erfüllen.

Die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) ist eine gemeinnützige medizinische Fachgesellschaft und hat ihren Sitz in Wien. Zweck der Gesellschaft ist die Förderung der wissenschaftlichen Entwicklung und der praktischen Umsetzung des Fachgebietes der Haut- und Geschlechtskrankheiten einschließlich seiner Spezialdisziplinen; das sind Allergologie, Angiologie/Phlebologie, Dermatohistopathologie, Immundermatologie, dermatologische Genetik, operative Dermatologie, dermatologische Onkologie, Proktologie, dermatologische Kosmetologie, Photobiologie und dermatologische Laser- und Strahlentherapie, dermatologische Labordiagnostik, dermatologische Mikrobiologie, die klassischen Geschlechtskrankheiten und die anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen (STD), physikalische Dermatotherapie, psychosomatische Dermatologie, Umweltmedizin, das Gutachterwesen sowie die Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation im gesamten Gebiet.

[1] Scala E. et al.: Atopic status protects from severe complications of COVID-19. In: Allergy, European Journal of Allergy and Clinical Immunology. August, 2020

[2] Verdoni L. et al.: An outbreak of severe Kawasaki-like disease at the Italian epicentre of the SARS-CoV-2 epidemic: an observational cohort study. Lancet. 2020