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Im Bild v.l.n.r.: Univ.-Prof. Dr. Rudolf Kirchmair (Vorstandsmitglied der ÖGIA), Univ.-Prof. Dr. Marianne Brodmann (Past Präsidentin der European Society for Vascular Medicine (ESVM), Univ.-Prof. Dr. Michael Gschwandtner (Vorstandsmitglied der ÖGIA), Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Marschang (Präsident der ÖGIA)

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Unterschätzte Gefahr Schaufensterkrankheit: ÖGIA fordert Gefäßscreening und konsequente Therapie, um Todesfälle zu verhindern

Im Rahmen einer Pressekonferenz informiert die Österreichische Gesellschaft für Internistische Angiologie (ÖGIA) über aktuelle Präventions- und Therapiemaßnahmen zur sogenannten Schaufensterkrankheit: Bis zu 10 % aller Österreicherinnen und Österreicher leiden an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) wobei die Häufigkeit im Alter noch deutlich zunimmt (20 % ab 75 Jahren). Neue Daten aus Dänemark belegen, dass durch einfaches Gefäßscreening, Lebensstilmodifikation und medikamentöse Therapie vorzeitige Todesfälle leicht verhindert werden könnten. Die ÖGIA fordert daher dringend die Einführung eines Gefäßscreenings in Österreich.

Obwohl die Diagnose leicht gestellt werden kann, wird die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) – aufgrund ihrer typischen Beschwerden, die ein oftmaliges Stehenbleiben erfordern, auch Schaufensterkrankheit genannt – oft nicht rechtzeitig entdeckt oder nicht konsequent gemäß geltender Leitlinien therapiert. Nicht ausreichend behandelt sind die Patientinnen und Patienten neben einer Amputation vor allem durch kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall gefährdet.

„Die aktuellen Daten zeigen, dass mittels eines einfachen Gefäßscreenings pro 169 einzuladenden Patienten ein Todesfall verhindert werden kann“, erklärt Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Marschang, Präsident der ÖGIA. Damit wäre diese Maßnahme zehnmal effektiver als derzeit laufende Screeningprogramme für Erkrankungen wie Brust- oder Prostatakrebs und daneben auch kosteneffizient. Die ÖGIA fordert die entsprechende Umsetzung eines PAVK-Screenings.

Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Marschang (Präsident der ÖGIA)
Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Marschang (Präsident der ÖGIA)

Definition und Ursache

Die PAVK ist eine Durchblutungsstörung, die durch die hochgradige Verengung oder den Verschluss einer die Extremitäten versorgenden Arterie hervorgerufen wird. „Verursacht wird diese in erster Linie durch Atherosklerose, das heißt eine Gefäßverkalkung“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Rudolf Kirchmair, Vorstandsmitglied der ÖGIA, „seltener auch durch Gefäßentzündungen oder Verletzungen“, so Kirchmair. Die Krankheit tritt neunmal häufiger in den Beinen als in den Armen auf. Oft sind auch andere Arterien (Herzkranzgefäße, hirnversorgende Arterien) mitbeteiligt. Die wichtigsten Risikofaktoren sind Rauchen und Diabetes. PatientInnen mit PAVK haben ein hohes kardiovaskuläres Risiko (Herzinfarkt und Schlaganfall).

Univ.-Prof. Dr. Rudolf Kirchmair (Vorstandsmitglied der ÖGIA)
Univ.-Prof. Dr. Rudolf Kirchmair (Vorstandsmitglied der ÖGIA)

Beschwerden

Die Durchblutungsstörung bewirkt eine Funktionseinschränkung des betroffenen Beines oder Armes, deren Schweregrad in vier Stadien, abhängig von den Beschwerden definiert wird:
1.Beschwerdefreiheit trotz Gefäßveränderungen
2.Gehbeschwerden
3.Schmerzen in Ruhe
4.Auftreten von Hautwunden
Typisch sind im Stadium 2 bewegungsabhängige, krampfartige Schmerzen in der Wade, im Oberschenkel oder im Gesäß, wegen derer die Patienten stehenbleiben müssen, die nach einer Pause verschwinden und nach Fortsetzung der Belastung nach derselben Gehstrecke wieder auftreten.

Die wichtigsten klinischen Untersuchungsmethoden sind das Tasten der Pulse an Armen und Beinen sowie die Blutdruckmessung an allen vier Extremitäten (Knöchel-Arm-Index, ABI). „Gemessen sollte dann werden, wenn Hinweise auf Durchblutungsstörungen aufgrund typischer Beschwerden oder schlecht heilender Beinwunden vorliegen“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Michael Gschwandtner, Vorstandsmitglied der ÖGIA. „Ebenso, wenn Gefäßveränderungen an anderen Lokalisationen, wie etwa am Herzen, an der Halsschlagader oder in Eingeweidearterien, auftreten“, führt Gschwandtner aus. Zudem werden Messungen in jenen Zielgruppen empfohlen, „die zwar noch keine Beschwerden, aber ein erhöhtes Risiko aufweisen. Das sind Frauen und Männer über 65 Jahre, Frauen und Männer unter 65 Jahren mit einem stark erhöhten Risikofaktor sowie Frauen und Männer über 50 Jahren mit Durchblutungsstörungen in der Familie“, so Gschwandtner.

Univ.-Prof. Dr. Michael Gschwandtner (Vorstandsmitglied der ÖGIA)
Univ.-Prof. Dr. Michael Gschwandtner (Vorstandsmitglied der ÖGIA)

Therapie in Hinblick auf die Extremität

„Je nach Beschwerdestadium stehen heute eine Vielzahl an Therapiemöglichkeiten mit zum Teil völlig neuartigen Ansätzen zur Verfügung“, informiert Univ.-Prof. Dr. Marianne Brodmann, Past Präsidentin der European Society for Vascular Medicine (ESVM).

„Im oben beschriebenen Stadium 2 der Schaufensterkrankheit gilt es, die zugrundeliegenden Gefäßengstellen wieder zu eröffnen“, so Brodmann. Dazu bieten sich sowohl endovaskuläre (Eingriffe innerhalb der Gefäße) wie auch chirurgische Verfahren an. „Wichtig ist es, jeweils das für den Patienten risikoärmste Verfahren auszuwählen“, unterstreicht Brodmann. In den Stadien III und IV ist die Gesamtprognose der Patienten noch viel ungünstiger. „Arteriosklerose wird nicht zu Unrecht der ‚Krebs der Gefäße‘ genannt“, so Brodmann. Heute stehen für diese Patienten völlig neue Therapieansätze zur Verfügung, welche von der Umfunktionalisierung von Venen zu Arterien, dem Einsatz von Stammzellen bis hin zum Einbau von Mikrosensoren, welche kontinuierlich die Sauerstoffversorgung messen, reichen.

Univ.-Prof. Dr. Marianne Brodmann (Past Präsidentin der European Society for Vascular Medicine (ESVM)
Univ.-Prof. Dr. Marianne Brodmann (Past Präsidentin der European Society for Vascular Medicine (ESVM)

Vaskuläres Tripel Screening für Aortenaneurysma, periphere arterielle Verschlusskrankheit und Hypertonie

Im Viborg Vascular (VIVA) Trial, einer in Dänemark an 50.000 Männern zwischen 65 und 74 Jahren durchgeführten Studie, hatte ein kombiniertes Gefäßscreening mit Ultraschall der Hauptschlagader, Knöchel-Arm-Index Bestimmung und Blutdruckmessung einen signifikanten Effekt auf die Gesamtmortalität (absolute Risikoreduktion von 0.6% Prozent, entsprechend einer number needed to invite von 169). In erster Linie war für diesen Effekt die Einleitung einer antithrombotischen und lipidsenkenden medikamentösen Therapie verantwortlich. Eindrucksvoll sind auch die gesundheits-ökonomischen Daten des VIVA Trials. Bei Kosten von 32,- Euro pro eingeladenem Teilnehmer und Therapiekosten von 148,- Euro pro Patient errechnen sich insgesamt Kosten von 2.148,- Euro pro quality-adjusted life year (QALI). Damit ist dieses Gefäßscreening zehnmal effektiver als derzeitig laufende große Screeningprogramme wie Prostata- oder Brustkrebsscreenings.

Für ÖGIA-Präsident Marschang unterstreichen diese Zahlen die Notwendigkeit für ein rasches Handeln der Gesundheitspolitik: „Sowohl nach medizinischen und gesundheitspolitischen, als auch nach ökonomischen Gesichtspunkten erscheint ein nationales, österreichweites Gefäßscreening-Programm dringend erforderlich“, sagt Marschang.

Die ÖGIA fordert daher:

• Die Einführung eines nationalen österreichischen Gefäßscreening-Programms

  • mit besonderer Berücksichtigung für Risikogruppen (Diabetes mellitus, Adipositas, Raucher)
  • mit einem vaskulären Tripelscreening (Aorta, ABI, Blutdruck) entsprechend der VIVA Studie
  • mit Aortenaneurysma-Screening für Männer ab 65 Jahre wie in Deutschland, Schweden und Großbritannien bereits umgesetzt

• Die Einführung eines Amputationsregisters für das diabetische Fußsyndrom (PAVK und Diabetes)

„Wir appellieren an das Verantwortungsbewusstsein und an die Vernunft der Entscheidungsträger, diese sinnvollen Maßnahmen möglichst rasch umzusetzen“, schließt Marschang.