Die Zukunft des Handels: Gemeinwohl statt Freihandel oder Protektionismus
In einem kürzlich an der Kölner CBS University of Applied Sciences erschienenen Working Paper von Christian Felber, Brigitta Hermann und Jürgen Knirsch rufen die Autoren zu einer grundlegenden Neuausrichtung der globalen Handelsstrategie auf. Mit dem Konzept des „Ethischen Welthandels“ schlagen sie der EU eine Handelspolitik vor, die nicht primär dem Profit von Unternehmen oder Leistungsbilanzüberschüssen, sondern dem globalen Gemeinwohl verpflichtet ist – mit dem Ziel, soziale Gerechtigkeit, Demokratie und ökologische Nachhaltigkeit weltweit zu fördern. „Handel darf kein Selbstzweck sein, sondern muss den Menschen dienen, den Planeten schützen und Frieden fördern“, betont Christian Felber.

Warum eine Veränderung notwendig ist
Das aktuell vorherrschende Welthandelssystem, das auf Freihandel basiert, hat vielfältige Probleme: Entdemokratisierung, mangelnde Berücksichtigung von Menschenrechten, wirtschaftliche Ungleichheiten, ökologische Zerstörung. Das Modell des Freihandels legt den Fokus zu stark auf Konzerninteressen und finanziellen Gewinn und vernachlässigt dabei die Bedürfnisse von Menschen, zukünftiger Generationen und anderer Arten. Daher fordern die Autoren einen neuen Ansatz, der ökologische und soziale Ziele in den Mittelpunkt stellt und den Handel wieder als Mittel zum Zweck versteht.
In den vergangenen Jahren ist zudem ein gegenläufiger Trend zu beobachten: Präsident Donald Trump und andere führende Politiker setzen wieder stärker auf Protektion, Importzölle und nationale Subventionen – als Reaktion auf die negativen Folgen des Freihandelssystems. Damit stehen sich heute zwei Extreme gegenüber: Schrankenloser Freihandel und protektionistische Abschottung. Zwischen diesen Polen eröffnet sich ein neuer, zukunftsfähiger Weg: der Ethische Welthandel, der internationalen Austausch mit sozialer und ökologischer Verantwortung in Einklang bringt. „Mit dem Ethischen Welthandel bieten wir einen dritten Weg zwischen Freihandel und Protektionismus – einen Weg, der Wohlstand, Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung verbindet“, sagt Christian Felber.
Das ethische Handelssystem der Zukunft
Die Autoren schlagen vor, die derzeitigen multilateralen Handelsstrukturen durch eine „Ethical Trade Zone“ unter dem Dach der Vereinten Nationen (UNETZ) zu ersetzen. Diese wird verbindliche ethische Standards zugrunde legen wie Menschenrechte, Klima- und Biodiversitätsschutz, faire Steuern und kulturelle Vielfalt. Der Erfolg des Handels wird nicht mehr am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemessen, sondern am Gemeinwohl-Produkt (GWP). So wird Handel als Mittel zur Förderung nachhaltiger Entwicklung, Frieden und sozialer Gerechtigkeit gestärkt.
Wie der Wandel praktisch gelingt
Der Wandel soll demokratisch, transparent und partizipativ gestaltet werden. Bürgerinnen und Bürger sollen in die Handelspolitik aktiv eingebunden werden. Für verbindliche Regeln sind neue Institutionen geplant, wie ein UN-Menschenrechts-Gerichtshof, eine Clearing Union nach John Maynard Keynes, eine globale Steuerbehörde und Mechanismen für solidarischen Technologietransfer. Diese sollen Standards sichern, Kooperation fördern und Handelsbeziehungen fairer gestalten.
Demokratische Beteiligung als Schlüssel zur Umsetzung
Zentral für den Erfolg des ethischen Welthandels ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Transparenz in den Entscheidungsprozessen und eine aktive Einbindung aller gesellschaftlichen Gruppen sind entscheidend, damit Handelspolitik nicht hinter verschlossenen Türen stattfindet, sondern von einer lebendigen Demokratie getragen wird. Nur so können legitime, gerechte und nachhaltige Handelsregeln entstehen, die breite Akzeptanz finden und langfristig wirksam bleiben. Am Beginn könnte die Grundsatzentscheidung stehen, ob die Spielregeln für den Welthandel außerhalb der UNO ohne rechtsverbindlichen Bezug, oder innerhalb, im Einklang mit ihren Zielen und Werten – von den Menschenrechten bis zum Klimaschutz – gebildet werden sollen.
Vorteile für Menschen, Staaten und Umwelt
Das neue System belohnt Staaten und Unternehmen, die aktiv ökologische und soziale Verantwortung übernehmen, mit besserem Marktzugang. Entwicklungs- und Schwellenländer erhalten die Möglichkeit, eigene nachhaltige Industrien zu fördern und ihre politische Souveränität sowie demokratische Handlungsspielräume zu erhalten. Das kooperative Modell beruht auf ausgeglichenen Leistungsbilanzen, reduziert Konkurrenzdenken und schafft eine gerechtere Verteilung des nachhaltig erzeugten Wohlstands.
Hintergrund des Projekts
Christian Felber ist Begründer der Gemeinwohl-Ökonomie, Brigitta Herrmann Professorin für Globalisierung, Entwicklungspolitik und Ethik, und Jürgen Knirsch Experte für Welthandel und Umwelt. Das umfassende Working Paper „Ein neues Paradigma für die globale Handelsstrategie der EU“ entstand in Zusammenarbeit mit angesehenen zivilgesellschaftlichen Organisationen und präsentiert konkrete politische Empfehlungen für eine werteorientierte EU-Handelspolitik.