Durchbruch am CERN: Neuer Gas-Jet-Monitor ermöglicht erstmals vollständige Strahlvermessung am LHC
Von der Grundlagenforschung zur Anwendung: Präzise Strahlmessung ebnet Weg für künftige Krebstherapie
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Professor Carsten Welsch von der Universität Liverpool hat am weltgrößten Teilchenbeschleuniger CERN in Genf einen bedeutenden Durchbruch in der Strahldiagnostik erzielt. Der neu entwickelte Beam Gas Curtain (BGC) Monitor („Gas-Jet-Monitor“) ist die einzige Methode weltweit, die alle Arten von Teilchenstrahlen im Large Hadron Collider (LHC) – sowohl Protonen- als auch Bleiionenstrahlen – über deren gesamten Energiebereich präzise messen kann. Die bahnbrechenden Ergebnisse wurden soeben in der renommierten Fachzeitschrift Physical Review Research veröffentlicht. Durch das LHC Machine Committee wurde der BGC Monitor bereits zum Standard-Betrieb mit 2.000 Betriebsstunden pro Jahr zugelassen.
Erstmalige Messung über das gesamte Energiespektrum
„Der Gas-Jet-Monitor ist ein echter Durchbruch für die Teilchenphysik am CERN“, erklärt Professor Carsten Welsch. „Wir können nun erstmalig am LHC Protonen- und Bleiionenstrahlen über das gesamte Energiespektrum kontinuierlich vermessen – von der Einspeisung bei niedrigen Energien bis zur Höchstenergie. Das war bisher nicht möglich.“
Am Teilchenbeschleuniger LHC am CERN lieferte der neue Gas-Jet-Monitor erstmals kontinuierliche Messungen über den gesamten Beschleunigungszyklus – von der Einspeisung der Teilchen bei niedrigen Energien (450 Gigaelektronenvolt, GeV) bis zur Höchstenergie (6.800 GeV oder 6,8 Teraelektronenvolt, TeV). Bisherige Messsysteme am LHC wie der Beam Synchrotron Radiation Telescope (BSRT) benötigen regelmäßige Kalibrierungen, die 4-8 Stunden wertvolle Strahlzeit kosten. Der Gas-Jet-Monitor liefert hingegen absolute, unabhängige Messungen ohne Kalibrierungsbedarf und arbeitet sogar während laufender Physikexperimente.
Neue Messmethode ist äußerst präzise und erspart wertvolle Strahlzeit
„Der Monitor verwendet einen hauchdünnen Vorhang aus Neon-Gas, der sich mit Überschallgeschwindigkeit bewegt“, erläutert Professor Welsch. „Wenn der Teilchenstrahl diesen Gasvorhang durchquert, regt er die Neon-Atome an, die daraufhin wie eine Art Leuchtspur aufleuchten – ähnlich wie bei einem Leuchtspray auf unsichtbaren Oberflächen. Dieses Leuchten messen wir und erhalten so ein exaktes Bild des Teilchenstrahls.“ Diese Methode ist minimal-invasiv, äußerst präzise und funktioniert bei allen Strahlenergien.
Perspektive für präzisere Krebstherapie mit weniger Nebenwirkungen
Die neue Technologie weist den Weg für vielversprechende Entwicklungen in der Teilchenphysik und darüber hinaus. „Wir sehen enormes Potential für die Integration dieser Technologie in verschiedene internationale Beschleunigerprojekte“, blickt Professor Welsch in die Zukunft. „Neben dem geplanten Electron Ion Collider (EIC) in den USA oder der European Spallation Source (ESS) in Schweden gibt es auch Potenzial für zukünftige medizinische Anwendungen.“
Besonders interessant ist die geplante Implementierung des Gas-Jet-Monitors in den Laser Hybrid Accelerator (LhARA), der ab 2028 präklinische FLASH-Studien ermöglichen soll. Die FLASH-Strahlentherapie ist ein innovativer Ansatz zur Krebsbehandlung, bei dem Tumore mit extrem hohen Strahlendosen in Sekundenschnelle behandelt werden – so schnell, dass gesundes Gewebe geschont wird, während Krebszellen zerstört werden. Über die Hälfte aller Krebspatienten benötigt im Laufe ihrer Behandlung eine Strahlentherapie. Bei der FLASH-Therapie werden Dosisraten von über 40 Gy/s erreicht – ein Vielfaches der konventionellen Strahlentherapie – was zu deutlich weniger Nebenwirkungen führen kann. Bei solch extremen Geschwindigkeiten ist eine Echtzeitkontrolle des Strahls sehr wichtig, was durch die neue Gas-Jet-Technologie nun in Reichweite kommt. „Ich bin zuversichtlich, dass diese neue Technologie das Potenzial hat, die Behandlung von Millionen von Krebspatienten weltweit künftig noch präziser zu machen,“ so Welsch.