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PR Bild/Österreichisches Akademisches Institut für Ernährungsmedizin (ÖAIE)/Pressekonferenz/Podium, v.l.n.r.: Prof. Dr. Harry Aiking, Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany, Prof. Dr. Kurt Widhalm, Dr. Thomas Stulnig © ÖAIE_APA-Fotoservice_Tanzer
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Mit Essen die Welt retten?

ÖAIE fordert politische Maßnahmen für österreichweite Ernährungsumstellung

Eine globale Ernährungsumstellung würde nicht nur 11,1 Millionen Todesfälle bis 2030 verhindern, sondern wesentlich dazu beitragen, unseren Planeten zu retten. Das ÖAIE fordert die Politik auf, die entsprechenden Maßnahmen zu beschließen.

„Unsere Lage gestaltet sich in mehreren Bereichen zunehmend dramatisch. Sie erfordert entschlossene Maßnahmen zur Korrektur“, eröffnete Prof. Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin (ÖAIE), am 24. Jänner im Wiener Billrothhaus die Pressekonferenz zum Thema: „Mit Essen die Welt retten?“

Konkret fordert das ÖAIE vier Maßnahmen, die sofort umgesetzt werden sollten:

1. Start einer umfassenden Informations-Kampagne für Verbraucher auf Basis ernährungsmedizinischer Grundlagen, um den Konsum von rotem Fleisch drastisch zu reduzieren
2. Eine möglichst rasche Umstellung der Landwirtschaft zur Reduktion der Fleischproduktion mit Forcierung des Gemüseanbaues
3. Verzicht auf Werbemaßnahmen, die einen erhöhten Fleischkonsum unterstützen
4. Eine Diskussion über preisgesteuerte Maßnahmen

Reduktion vorzeitiger Todesfälle um 20 Prozent möglich

Die EAT-Lancet-Kommission veröffentlichte vergangener Woche neue, evidenzbasierte Ernährungsempfehlungen für eine deutlich stärker pflanzenbasierte Ernährung: maximal 35 Gramm rotes Fleisch pro Tag, ein höherer Anteil von Hülsenfrüchten, Obst, Gemüse und Früchten, eine Reduktion gesättigter Fettsäuren sowie eine Erhöhung von einfach und mehrfach gesättigten Fetten in unserer Nahrungsaufnahme. Eine Befolgung dieser Richtlinien würde nicht nur vorzeitige Todesfälle um 20 Prozent reduzieren – um 11,1 Millionen pro Jahr bis 2030 – sondern darüber hinaus den bedrohlichen Klimawandel ökologisch nachhaltig bremsen. Denn in Summe ist unsere Lebensmittelproduktion, insbesondere die von Fleisch, eine maßgebliche treibende Kraft im Klimawandel. Sie verbraucht hohe Mengen an Wasser, Anbau-, Futter- und sonstige Ressourcen und verantwortet damit insgesamt einen hohen Anteil der CO2-Emissionen.

Auch die Protein-Bilanz ist in der Fleischproduktion nicht nachhaltig: „Wir verbrauchen derzeit zur Herstellung von 1 Kilogramm Fleisch-Protein rund 6 Kilogramm pflanzliches Protein. Von den vielen weiteren damit verbundenen schädlichen Umweltwirkungen, wie die Austragung von Pflanzenschutzmitteln, dem Verlust der Artenvielfalt, der Bodennitrifizierung, dem unverhältnismäßig hohen Gesamt-Energieverbrauch und so weiter, gar nicht zu reden“, hob Ernährungsexperte Prof. Harry Aiking von der Universität Amsterdam hervor.

Prof. Dr. Harry Aiking © ÖAIE_APA-Fotoservice_Tanzer

Europäischer Ernährungs-Aktionsplan 1915-2020 der WHO klar verfehlt

„In der EU wird die höchste Anzahl von nicht übertragbaren Krankheiten (NCDs) als führende Ursachen für Behinderung und Todesfälle gezählt“, zitiert Widhalm die WHO. „Kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus, Krebs und respirative Erkrankungen machen in Europa 77 Prozent der Krankheiten und 86 Prozent der frühzeitigen Mortalität aus“, so Widhalm. Als deren vorrangige Ursachen gelten ein Zuviel an Energie, gesättigten Fettsäuren und Transfette, Zucker und Salz und ein Zuwenig an Gemüse, Obst und Vollkornprodukte in unserer Nahrung. „Übergewicht und Adipositas sind verantwortlich für 320.000 Todesfälle von Männern und Frauen in 20 Ländern Europas pro Jahr“, sagt Widhalm.

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Europaweite Reduktionsstrategien wichtiger als nationale Ernährungsprogramme

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat das Problem erkannt und Richtlinien für die Zufuhr von Energie, Makro- und Mikronährstoffe entwickelt. Die Daten sind soweit wie möglich wissenschaftlich untermauert und wurden zu fast allen EU-Mitgliedsstaaten ermittelt. Sie decken die nationalen Ernährungsempfehlungen weitgehend ab, weshalb eine Erarbeitung nationaler Ernährungsempfehlungen grundsätzlich nicht mehr notwendig ist. Entwicklungen für Reduktionsstrategien für Fett, Zucker und Salz stehen dabei im Vordergrund des politischen Handelns.

„Notwendig ist die nationale Überprüfung, inwieweit die EFSA-Daten umgesetzt werden. Gemeinsam mit der jeweiligen nationalen Ernährungsaufklärung müssen entsprechende Untersuchungen durchführt werden, ob es tatsächlich zu einer Reduzierung des Körpergewichtes und ernährungsbedingter Erkrankungen über die Zeit gekommen ist“, betont Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany seitens der EFSA.

Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany © ÖAIE_APA-Fotovservice_Tanzer

„Gesund“ für Individuum und Biosphär

„‘Gesund‘ in Bezug auf Makronährstoffe kann heute nicht mehr allein für das Individuum gelten, sondern muss unsere gesamte Biosphäre miteinbeziehen“, verdeutlicht Prof. Dr. Thomas Stulnig, Leiter der Stoffwechselambulanz an der MedUni Wien, am Beispiel Fette und Öle. Eine Assoziation mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tod findet sich bei diesen nämlich nur für die Fettqualität. Der geforderte Ersatz von gesättigten durch ungesättigte Fette und Öle ist dabei nicht nur für den Einzelnen günstig: „Während das gesättigte Palmöl die ökologisch besorgten Schlagzeilen füllt, führt es gleichzeitig zu Herzinfarkten. Hingegen beugen ungesättigte Öle, insbesondere auch solche mit Omega-3 Fettsäuren, Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor – und sind auch für unsere Biosphäre weit besser verträglich“, so Stulnig.

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