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Immer mehr Kinder krankhaft übergewichtig: Schule darf nicht länger zusehen

ÖAIE fordert Einführung von verpflichtendem Unterricht in gesundem Lebensstil und Erweiterung der Kompetenzen von Schulärzten

Angesichts des rasant steigenden Übergewichts bei Kindern und Jugendlichen und wiederholter Warnungen durch WHO und EU fordert das Österreichische Akademische Institut für Ernährungsmedizin (ÖAIE), durch gezielte schulische Maßnahmen gegenzusteuern. Da die Schule mit dem geplanten Ausbau von Ganztagesformen zunehmend prägender Lebensmittelpunkt der Schüler werde, müsse ein wesentlicher Teil der im Sommer von der Regierung beschlossenen Investitionen in die Gesundheitsprävention fließen, u.a. in die Einführung von verpflichtendem Unterricht in gesundem Lebensstil, den Ausbau der schulischen Infrastruktur hinsichtlich Sport- und Bewegungsmöglichkeiten und die Ausbildung und Bereitstellung von medizinisch geschultem Personal. Zudem sollen die Kompetenzen der Schulärzte – wie zuletzt auch von der Lehrergewerkschaft und der Juristin, Psychotherapeutin und Präventionsexpertin Univ.-Prof. Dr. Rotraud Perner gefordert – erweitert und kranken Kindern ein leichterer Zugang zu Therapien ermöglicht werden.

Übergewicht ist größte Herausforderung für das Gesundheitssystem des 21. Jahrhunderts – wirkungsvolle Prävention muss bereits im Schulalter ansetzen

Laut WHO ist die Epidemie des Übergewichtes insbesondere bei Kindern und Jugendlichen äußerst besorgniserregend und wird als die „größte Herausforderung für das Gesundheitssystem des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet. In Österreich gibt es zwar keine flächendeckenden Zahlen, aber Einzeluntersuchungen wie die von der EU finanzierte Helena Studie zeigen, dass bei 13- bis17-Jährigen bereits ca. 23 Prozent übergewichtig und davon 4 Prozent fettsüchtig sind. Ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel verursachen hierzulande jährlich zwischen 8,6 und 12,2 Milliarden Euro volkswirtschaftliche Kosten.
„Der Staat muss sich endlich dem Problem des zunehmenden Übergewichts stellen und sinnvoll in Prävention investieren“, fordert Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm, Präsident des ÖAIE. „Der Ausbau der Ganztagesschule ist eine große Chance dafür: Studien belegen, dass wissenschaftlich fundierte Präventionsmaßnahmen gerade bei Kindern zwischen 6 und 12 Jahren die besten Resultate erzielen.“

Prof. Dr. Kurt Widhalm © Widhalm
Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm © Widhalm

Verpflichtender Unterricht in gesundem Lebensstil und stärkere Einbeziehung der Schulärzte in die Prävention sind dringend notwendige Maßnahmen

Das ÖAIE fordert, im Zuge des Ausbaus der Ganztagesschule der Prävention einen hohen Stellenwert einzuräumen. So soll verpflichtender Unterricht in gesundem Lebensstil durch wissenschaftlich ausgebildetes Personal eingeführt werden, in dem Schülern praktisches Wissen um gesunde Ernährung und Bewegung vermittelt wird. Außerdem müssen Turnsäle und Sportplätze dringend ausgebaut werden, damit Kinder und Jugendliche täglich körperlich aktiv sein können.
„Eine wesentlich größere Rolle als bisher muss in der neuen Ganztagesschule den Schulärzten zukommen“, sagt Widhalm. „Mit ihnen haben Schulen bestens ausgebildete Experten vor Ort, die Präventionsprogramme managen und überwachen können. Gleichzeitig sollen ihre Kompetenzen erweitert werden, damit sie Krankheiten wie Übergewicht frühzeitig diagnostizieren und Therapien einleiten können.“
Ebenso müssen die von Schulärzten erhobenen Daten hinsichtlich Größe und Gewicht der Schulkinder endlich zentral gesammelt und ausgewertet werden, um eine seriöse Grundlage für die Evaluation wissenschaftlicher Präventionsprogrammen zu schaffen.

Wissenschaftlich fundierte Prävention an Schulen zeigt Wirkung – kombinierte Interventionsmaßnahmen sind Schlüssel zum Erfolg

Seit bereit drei Jahren führt das ÖAIE in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Herzfonds an Wiener Schulen das Pilotprojekt EDDY („Effects of sports an diet trainings to prevent obesity and secondary diseases and to influence young children’s lifestyle“) durch, um die Wirksamkeit von schulischen Interventionsmaßnahmen bei übergewichtigen Kindern wissenschaftlich nachzuweisen. Wesentliche Erkenntnis ist, dass Prävention nur dann wirkt, wenn ein Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen aus unterschiedlichen Bereichen zum Einsatz kommt.
„Singuläre Maßnahmen wie Informationsbroschüren oder Vorträge zur richtigen Ernährung bringen nachweislich gar nichts,“ erläutert Widhalm. „Ein kombinierter Maßnahmenmix aus regelmäßigem Ernährungsunterricht, Sporttrainings und medizinischen Untersuchungen steigert hingegen nicht nur das Ernährungswissen und beeinflusst den Lebensstil der Kinder positiv, sondern findet auch medizinisch messbaren Niederschlag im geringeren Anstieg des Körperfetts und des LDL-Cholesterins.“
Das ÖAIE fordert daher, die wissenschaftlichen Erkenntnisse des EDDY-Projekts in flächendeckende Präventionsprogramme an Ganztagesschulen einfließen zu lassen. Gleichzeitig betont es die Notwendigkeit, mehr Fachleute auf den Gebieten der Medizin, Psychologie, Ernährungs- und Sportwissenschaften für die Arbeit an Schulen auszubilden und Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrer anzubieten.